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Rechtslage zur Vorkasse: Wann dürfen Ärzte Vorauszahlungen verlangen?

Ärzte, die Patienten bei Privatleistungen schon vor der Behandlung zur Zahlung auffordern, begeben sich möglicherweise auf rechtlich unsicheres Terrain - dieses Vorgehen ist nur unter bestimmten Bedingungen zulässig.

07.10.2024

Ärzte, die Patienten bei Privatleistungen schon vor der Behandlung zur Zahlung auffordern, begeben sich möglicherweise auf rechtlich unsicheres Terrain - dieses Vorgehen ist nur unter bestimmten Bedingungen zulässig.

  • Dürfen Ärzte von gesetzlich versicherten Patienten Vorkasse verlangen, wenn diese als Selbstzahler behandelt werden wollen? Diese Frage sorgt aktuell in Niedersachsen für Diskussionen. Medienberichten zufolge wurde eine 67-jährige Patientin aus Hannover in einer Kardiologie-Praxis abgewiesen, weil sie die Kosten für eine geplante Behandlung nicht im Voraus in bar begleichen konnte.
  • Da sie als Kassenpatientin keinen zeitnahen Termin bekam, meldete sie sich als Selbstzahlerin an. In der Praxis wurde ihr mitgeteilt, dass sie schneller behandelt werden könne, jedoch eine Vorauszahlung von 500 Euro nötig sei. Da sie am Tag des Termins das Geld nicht passend dabei hatte und stattdessen mit Karte zahlen wollte, musste sie die Praxis wieder verlassen.
  • Zum Hintergrund: Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) legt fest, dass Ärzte grundsätzlich in Vorleistung gehen. Nach Paragraf 12 GOÄ wird die Zahlung erst bei vollständiger Rechnungsstellung fällig. Die Rechnung muss das Datum der Leistung, die Nummer und Bezeichnung der berechneten Leistung sowie den jeweiligen Betrag und Steigerungssatz enthalten.
  • Die Hamburger Medizinrechtlerin Katja Paps von nexus.rechtsanwälte hält Vorauszahlungen von Selbstzahlern, die gesetzlich versichert sind, in den meisten Fällen für unzulässig. „Unsere Position ist hier klar. Die GOÄ sieht keine Regelung für Vorauszahlungen vor. Die Abrechnung der Leistungen muss einen individuellen Bezug zur erbrachten Behandlung haben, was bedeutet, dass die Behandlung vor der Rechnungsstellung erfolgt sein muss." Zum Vergleich verweist sie auf die Gebührenordnungen für Rechtsanwälte und Steuerberater, wo das Recht auf Vorkasse ausdrücklich geregelt ist. „Dass die GOÄ keine solche Regelung enthält, lässt den Schluss zu, dass Vorkasse nicht erlaubt ist", so Paps.
  • Eine Ausnahme könnte jedoch gelten, wenn ein Arzt berechtigte Zweifel daran hat, dass der Patient später seine Rechnung bezahlen kann oder will.
  • Für Notfälle gilt dies jedoch nicht, da Ärzte verpflichtet sind, Patienten in akuten Fällen zu behandeln. 
  • Ein weiterer Hinweis zur Vorkasse findet sich im Bundesmantelvertrag: Nach Paragraf 18 Absatz 2 darf ein Arzt nur dann eine Vergütung fordern, wenn der Versicherte ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dies schriftlich bestätigt.
  • Schutz vor säumigen Patienten:
    • Haben Ärzte berechtigte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit oder -bereitschaft eines Patienten, dürfen Privatärzte, im Gegensatz zu Vertragsärzten, eine Behandlung ablehnen.
    • Ein effektives Forderungsmanagement ist wichtig, viele Praxen lagern dies an externe Dienstleister aus, um das Vertrauensverhältnis zu Patienten zu wahren. Die Auslagerung erleichtert den Verwaltungsaufwand und verbessert oft die Liquidität.
    • Falls ein Patient nicht zahlt, folgen meist mehrere Mahnungen, bevor ein gerichtlicher Mahnbescheid erlassen wird.
    • Widerspricht der Patient, ist der nächste Schritt die gerichtliche Klage, um die Forderung durchzusetzen.
  • Manche Patienten geben gegenüber der Krankenkasse an, nicht ausreichend über die Zahlungsbedingungen aufgeklärt worden zu sein. Diesen Ärger scheuen viele Ärzte. Ein entsprechendes Aufklärungsformular schützt jedoch nicht immer vor Auseinandersetzungen.
  • Katja Paps betont, dass ein Verbot von Vorauszahlungen nicht bedeutet, dass eine direkte Zahlung nach der Behandlung unzulässig ist. Direkt nach der Behandlung kann eine Zahlung verlangt werden.
  • Vorauszahlungen sind in Fällen zulässig, in denen der Praxis durch die Behandlung Fremdkosten entstehen, etwa Materialkosten. „Zum Beispiel, wenn der Arzt etwas speziell für einen Patienten bestellt", erklärt Paps.
  • Dies ist häufig in der ästhetischen Medizin der Fall, wo beispielsweise Operationsräume gebucht oder Anästhesisten angefordert werden. In solchen Fällen ist es üblich, eine Vorauszahlung für die entstehenden Fremdkosten zu verlangen.
  • Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen konnte keine Erklärung geben, warum der Kardiologe aus Hannover eine Vorauszahlung verlangte. Ein Sprecher vermutete, dass die Zahlungsmoral von Privatpatienten derzeit nicht besonders gut sei.
  • Stefan Tilgner, Geschäftsführer des Verbands der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS), widerspricht: In der Privatmedizin gibt es seiner Erfahrung nach keine Anzeichen für eine schlechte Zahlungsmoral. Die Zahlungseingänge seien stabil. „Im ambulanten Bereich liegt der Zahlungseingang aktuell bei 22 Tagen", so Tilgner. Der Median im Jahr 2024 liegt bei 22,9 Tagen.
  • Rund 90 Prozent der Selbstzahler begleichen ihre Rechnungen, bevor eine Mahnung notwendig wird. 
  • In weniger als einem Prozent der Fälle wird ein Anwalt wegen säumiger Zahlungen eingeschaltet.