Noch immer hält sich unter Ärzten und anderen Heilberuflern der hartnäckige Irrglaube, dass man als Heilberufler nicht von der Umsatzsteuerpflicht betroffen sei. Tatsächlich müssen jedoch auch Ärzte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, und zwar u.a. dann, wenn sie steuerpflichtige Leistungen anbieten. Eine zusätzliche Umsatzsteuerfalle stellt das Reverse-Charge-Verfahren dar. Wir erklären, was Reverse-Charge bedeutet und wie Sie die fällige Umsatzsteuer richtig abführen.
Die Umsatzsteuerpflicht bei Ärzten: Ein Überblick
Es ist richtig, dass man als Arzt für die Durchführung von Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit ist. Wichtig ist hier aber das Wort Heilbehandlung. Nur die allerwenigsten Ärzte bieten ihren Patienten ausschließlich Heilbehandlungen an. Denn damit eine Heilbehandlung vorliegt, muss sich die Maßnahme auf eine konkrete, im individuellen Fall bei dem Patienten identifizierte oder identifizierbare Gesundheitsstörung beziehen. Die Heilbehandlung muss also medizinisch indiziert sein. Ist sie das nicht, liegt auch keine Heilbehandlung vor, womit die Maßnahme umsatzsteuerpflichtig wird. Solche von Arztpraxen durchführbaren, umsatzsteuerpflichtigen Maßnahmen sind zum Beispiel kosmetische Operationen (Schönheitsoperationen), der Verkauf von Kosmetikartikeln, Kontaktlinsen, Zahnprothesen, Schuheinlagen, etc. oder Wellness-Leistungen wie Massagen oder Gymnastik und einige Gutachten. Wie Sie sich als Arzt bei solchen Dienstleistungen den Vorsteuerabzug zu Nutze machen und so Ihre Steuerschuld mindern können, erfahren Sie in unserem Beitrag “Vorsteuerabzug für Ärzte: So entgehen Sie der Umsatzsteuer”.Das Reverse-Charge-Verfahren als Umsatzsteuerfalle
Doch nicht nur durch das Anbieten steuerpflichtiger Leistungen können Ärzte umsatzsteuerpflichtig werden. Durch das Reverse-Charge-Verfahren kann auch der Bezug steuerpflichtiger Leistungen zur Umsatzsteuerschuld führen. In Deutschland ist der reverse charge in § 13b UStG geregelt. Doch was bedeutet reverse charge überhaupt? Normalerweise liegt die Umsatzsteuerschuld beim Leistungserbringer. Wer steuerpflichtige Leistungen anbietet, muss die dafür fällige Umsatzsteuer auf seinen Rechnungen ausweisen und an das Finanzamt abführen. Der Gesetzgeber hat aber auch Fälle geregelt, in denen die Umsatzsteuerschuld abweichend vom eben genannten Grundsatz auf den Leistungsempfänger übergehen soll. Diese Umkehr der Steuerschuldnerschaft hat ihren Hintergrund in den früher häufig aufgetretenen Missbrauchsfällen bei bestimmten Geschäften; vor allem Geschäften mit Auslandsbezug. Die Leistungserbringer führten (zumeist wissentlich) die fällige Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab, die Leistungsempfänger machen jedoch trotzdem den Vorsteuerabzug geltend. Durch das Reverse-Charge-Verfahren wird nun der (vorsteuerabzugsberechtigte) Leistungsempfänger zum Schuldner der Umsatzsteuer.Auf einen Blick: Was bedeutet reverse charge?
Beim Reverse-Charge-Verfahren wird der Empfänger einer Leistung zum Schuldner der Umsatzsteuer, muss also für die empfangene Leistung die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Reverse charge bedeutet also nichts anderes als eine Steuerschuldumkehr.
Hier wird das Reverse-Charge-Verfahren für Ärzte relevant
Von der durch den Reverse Charge bewirkten Umsatzsteuerschuldumkehr können auch Ärzte betroffen sein; und zwar selbst dann, wenn sie ansonsten nur umsatzsteuerfreie Umsätze ausführen, z.B. also nur Heilbehandlungsleistungen erbringen. Auch bei Durchführung steuerpflichtiger Leistungen, die unter der Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro liegen und damit eigentlich gem. § 19 UStG keine Umsatzsteuer auslösen, muss der Kleinunternehmer das Reverse-Charge-Verfahren beachten. Vielmehr wird die Steuerschuldumkehr nach § 13b Abs. 8 UStG ungeachtet der Kleinunternehmerregelung durchgeführt. Eine Ausnahme davon gibt es nur dann, wenn auch der Leistungserbringer selbst Kleinunternehmer ist. Das wird freilich nur in den seltensten Konstellationen der Fall sein. Das hat für den Arzt folgende Konsequenz: Jeder Arzt und jeder andere Heilberufler kann also unabhängig von seinen jährlichen Umsätzen durch das Reverse-Charge-Verfahren zum Umsatzsteuerschuldner werden. Doch in welchen Fällen wird die Steuerschuldumkehr nach § 13b UStG durchgeführt?Reverse Charge: Die abschließend genannten Fälle des § 13b UStG
13b Abs. 2 UStG nennt in insgesamt elf Nummern abschließend den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens. Die praktischen Fälle dieser Regelungen haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst. Achtung: Die Steuerschuldumkehr wird in der Regel ungeachtet der Kleinunternehmerregelung und selbst dann durchgeführt, wenn die Leistung nur für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Also wird selbst der Arzt zum Umsatzsteuerschuldner, wenn er Geräte ausschließlich zur Durchführung von Heilbehandlungen anschafft.-
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Das Reverse-Charge-Verfahren auf einen Blick: So geht’s!
Nun wissen Sie schon, in welchen praktischen Fällen das Reverse-Charge-Verfahren angewandt wird. Doch wie funktioniert der Reverse Charge genau? Wie können Sie erkennen, dass Sie für die bezogene Leistung Umsatzsteuer abführen müssen und was passiert, wenn der Reverse Charge falsch durchgeführt wurde? Hier geben wir Ihnen die Antworten auf einen Blick: Beim Reverse-Charge-Verfahren stellt der Leistungserbringer eine Rechnung, auf der nur der Nettobetragder Leistung ausgewiesen ist. An den Leistungserbringer wird dementsprechend auch nur der Nettobetrag gezahlt. Außerdem muss die Reverse-Charge-Rechnung den Hinweis enthalten, dass Sie als Leistungsempfänger dem Finanzamt gegenüber umsatzsteuerpflichtig sind. Diese Hinweispflicht ist jedoch kein “Freibrief”. Auch wenn der Hinweis fehlt, werden Sie als Leistungsempfänger zum Steuerschuldner. Und auch, wenn der Leistungsempfänger fälschlicherweise doch eine Umsatzsteuer auf seiner Rechnung ausweist und eine entsprechende Zahlung einfordert, wird die Steuerschuld umgekehrt. Der Leistungsempfänger bleibt ungeachtet des Fehlers Steuerschuldner und muss die Umsatzsteuer selbst an das Finanzamt abführen. Die falsche Ausweisung der Umsatzsteuer auf der Rechnung führt lediglich dazu, dass diese nicht an den Leistungserbringer gezahlt werden muss, bzw. nach erfolgter Zahlung zurückgefordert werden kann. Die durch den Reverse Charge entstandene Umsatzsteuerlast ist natürlich bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gleich wieder als Vorsteuer abzugsfähig. Wie der Vorsteuerabzug genau funktioniert, erfahren Sie in unserem Beitrag “Vorsteuerabzug für Ärzte: So entgehen Sie der Umsatzsteuer”.Fazit zum Reverse-Charge-Verfahren: Vorsicht bei EU-Einkäufen
Das Reverse-Charge-Verfahren ist eine zusätzliche Umsatzsteuerfalle für alle Ärzte, Zahnärzte und sonstigen Heilberufler. Die Kenntnis des Reverse Charge Verfahrens wird Sie in Zukunft vor unangenehmen Überraschungen bewahren. In Kombination mit einer Vorsteuerabzugsberechtigung kann außerdem die zusätzliche Umsatzsteuerlast des Reverse-Charge-Verfahrens vermieden werden. Wenn Sie dabei Unterstützung benötigen, helfen wir Ihnen mit unserem Know-How jederzeit weiter. Sie haben noch Fragen? Paschhoff & Partner kann sowohl bei der steuerlichen, als auch bei der rechtlichen Beratung im Gesundheitswesen auf langjährige Erfahrung zurückblicken. Wir freuen uns, Sie bei der Erstellung Ihres ganz persönlichen Steuerkonzepts begleiten und unterstützen zu dürfen. Als Experten im Steuerrecht stehen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte Ihnen jederzeit gern zur Seite. Vereinbaren Sie dazu einfach einen persönlichen Beratungstermin in unserer Kanzlei.Das könnte Sie auch interessieren
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