Mensch vs. Wirtschaft: Interview mit Andreas Paschhoff

In diesem spannenden Interview mit Andreas Kerneder von zweikern spreche ich über Ganzheitlichkeit in einem Unternehmen in Bezug auf menschliche und wirtschaftliche Aspekte und gehe der Frage nach, wie sich Mensch und Wirtschaft nachhaltig gewinnbringend verknüpfen lassen. Lesen Sie selbst:

Ich als Psychologe versuche natürlich immer den Menschen in den Vordergrund zu rücken, mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen. Aber wenn man ehrlich ist, ohne wirtschaftliche Aspekte im Unternehmen zu berücksichtigen, werden die Erfolge auf Dauer ausbleiben. Am besten kann man diese beiden Perspektiven mit der Unternehmensführung und der Personalabteilung darstellen. Hier entstehen oft Interessenskonflikte zwischen der Unternehmensführung, für die der Umsatz an erster Stelle steht und der Personalabteilung, die die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter verbessern möchte. Beiden Parteien fällt es schwer, die andere Sichtweise zu verstehen und so werden menschen-orientiere und wirtschaftliche Ansichten oft als gegensätzlich betrachtet. Ich bin der Meinung, dass sich menschliche und wirtschaftliche Aspekte im Unternehmen durch eine engere Zusammenarbeit, mehr Kommunikation und Offenheit für andere Meinungen, sehr gut vereinen lassen. Um diese Annahme auch aus einer anderen Sichtweise zu betrachten, habe ich heute das Vergnügen mit Herrn Paschhoff, der als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig ist, zu sprechen.

Vielen Dank Herr Paschhoff, dass Sie sich heute Zeit genommen haben, um das Thema Ganzheitlichkeit in Bezug auf menschliche und wirtschaftliche Aspekte im Unternehmen mit uns zu diskutieren. Vielleicht beginnen wir mit ein paar Worten über Ihre Person.

Vielen Dank Herr Kerneder für die Gelegenheit, das Thema mit Ihnen diskutieren zu dürfen. Ich bin Partner der Kanzlei der Engel & Paschhoff | Rechtsanwälte & Steuerberater in Wuppertal und in meiner täglichen Praxis schwerpunktmäßig mit der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratung unserer Mandanten betraut. Nach meiner Ausbildung beim Finanzamt habe ich Jura studiert, nach dem 2. Staatsexamen in einer international tätigen Steuerberatungsgesellschaft gearbeitet und mich dann selbständig gemacht. Seit 2005 besteht unsere Kanzlei, inzwischen aus einem Team von 20 Personen, die in den Bereichen Recht, Steuern und Wirtschaft tätig sind. Wir beraten unsere Mandanten also interdisziplinär.

Haben Sie bereits Erfahrungen damit gemacht, dass der Mensch im Unternehmen und der Profit als gegensätzlich betrachtet werden? Sozusagen eine Entweder- Oder Entscheidung darstellt?

Das erleben wir leider sehr häufig. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet stellen die Mitarbeiter eines Unternehmens zunächst eine Kostenposition dar. Und zwar in aller Regel sogar eine recht große Position. Das hängt natürlich davon ab, wie personalintensiv die jeweilige Branche ist. Nun ist es immer leicht, nur die Kosten zu vergleichen, beispielsweise die Steigerungen der Personalkosten der letzten Jahre darzustellen oder durch Benchmarks die Personalkosten mit anderen Unternehmen dergleichen Branche und Größe zu vergleichen. Und die größeren Kostenpositionen stehen bei solchen Vergleichen schnell im Vordergrund. Das ist sicher bis dahin auch richtig, wenn die Zahlen dann auch sinnvoll interpretiert werden. Allerdings geht genau das manchmal in die falsche Richtung und wird auf die Formel „Kosten runter = Gewinn rauf!“ verkürzt. Das ist zwar isoliert betrachtet nicht falsch, verliert aber die längerfristige Perspektive aus dem Auge. Ich kenne keinen Unternehmer, der sich reich gespart hat. Besser wäre es deshalb sich zu fragen, welche Ziele das Unternehmen erreichen möchte und dann auch alle Bereiche des Unternehmens – einschließlich der Kostenstruktur – darauf auszurichten. Und bei jeder Entwicklung sind die Menschen im Unternehmen ein entscheidender Faktor, wenn nicht sogar der ausschlaggebende Faktor. Jedes Unternehmen wird sich nur so gut entwickeln können, wie sich die Menschen in dem Unternehmen entwickeln. Und daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Bereiche Mensch und Profit gerade kein Gegensatz sind, sondern untrennbar miteinander verbunden und sich wechselseitig beeinflussen.

Was könnte Ihrer Meinung nach der Grund dafür sein, dass es so große Werte-Verschiebungen im Bereich wirtschaftliche oder menschliche Orientierung in Unternehmen gibt?

Das ist sicher sehr vielfältig. Die in den letzten Jahren verstärkt in den Vordergrund getretene „Geiz-ist-geil-Mentalität“ hat meines Erachtens einen großen Anteil daran. Auch die von den so genannten „Heuschrecken“ aufgekauften Unternehmen haben nur noch den kurzfristigen Profit im Fokus. Wirft das Unternehmen nicht mehr genug Profit ab, wird es wieder verkauft. Dem mittelständischen Unternehmer hingegen ist eine solche Sichtweise fremd – und das ist gut so. Aber durch das veränderte Marktumfeld sieht sich auch der Mittelstand einem erhöhten Anpassungsdruck ausgesetzt. Hinzu kommt, dass viele Steuer- und Unternehmensberater sich auf die „hard facts“ konzentrieren und leider allzu oft auch darauf beschränken. Frei nach Marc Twain „Wenn Dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, wirst Du jedes Problem als Nagel betrachten.“ Dabei sind die meisten klassischen Kennzahlensysteme ein Blick in den Rückspiegel. Dabei werden Daten aus der Vergangenheit analysiert und ausgewertet. Das wäre so, als würden Sie beim Autofahren nur auf den Tacho gucken, aber nicht auch durch die Windschutzscheibe.

Könnte eine ganzheitliche Sichtweise, die Mensch und Umsatz als eine Einheit betrachtet, Vorteile für ein Unternehmen bringen?

Ganz eindeutig: ja! Nachhaltiger Erfolg kann nur durch ganzheitliche Ansätze erreicht werden. Die Bereiche Recht, Steuern, Wirtschaft und Mensch weisen starke Interdependenzen auf. Isolierte Betrachtungen und Ansätze können deshalb niemals zu Spitzenleistungen führen, sondern allenfalls zum Mittelmaß gereichen. Entscheidend ist aber, sich bei einem ganzheitlichen Ansatz nicht zu verzetteln, sondern die wesentlichen Faktoren – das „big picture“ – im Blick zu behalten.

Haben Sie eine Idee, wie man hier das Verständnis für die jeweils andere Sichtweise verbessern könnte?

Die meisten Unternehmer wissen, wie wichtig die Menschen um sie herum sind. Und sie wissen, dass die Unternehmensziele nur mit engagierten und motivierten Mitarbeitern zu erreichen sind. Dennoch ist es hilfreich, die Interdependenzen transparent zu machen. Ziele müssen messbar sein, das gilt natürlich auch für den „Faktor Mensch“. Die Messbarkeit wird aber gerade in diesem Bereich oft vernachlässigt. Natürlich ist es einfacher den Umsatz zu messen, als beispielsweise das Engagement der Mitarbeiter. Aber allein die Schwierigkeit darf nicht dazu führen, den Bereich Mensch zu vernachlässigen. Im Gegenteil, darin liegen die größten Chancen. Wir nutzen hier gern die Balanced Scorecard (BSC), die für ein Unternehmen die Wechselwirkungen zwischen den hard-facts und den soft-facts sehr gut veranschaulicht. Die BSC betrachtet ein Unternehmen aus 4 wichtigen Perspektiven:
  • der Kunden-Perspektive,
  • der Finanz-Perspektive,
  • der internen Prozess-Perspektive und
  • der Mitarbeiter bzw. Lern- und Entwicklungs-Perspektive.
Die 4 Perspektiven stellen dabei ein vernetztes System dar, welches durch den verbindenden Faktor, die Unternehmensstrategie, ausgewogen berücksichtigt werden muss. Dabei wird auf Kennzahlen nicht verzichtet, vielmehr werden die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Perspektiven mittels Kennzahlen-gestützter Soll-Ist-Vergleiche transparent gemacht („You can´t manage what you can´t measure.”). Ausgewertet werden dabei sowohl die Kennzahlen vergangener Leistungen als auch die zukünftigen Leistungstreiber. Möchte ein Unternehmen beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen (strategisches Ziel) ergeben sich daraus Wechselwirkungen auf die anderen Perspektiven (z.B. Veränderungen der internen Geschäftsprozesse, gezielter Aufbau einer Unternehmenskultur, erforderliche Investitionen, zufriedenere Kunden) die in der BSC als Ursache-Wirkungs-Verknüpfung dargestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass jede Maßnahme Konsequenzen für alle Bereiche des Unternehmens haben kann. Eine solche Analyse wird anhand einer sog. „strategy map” visualisiert. So verstanden macht die BSC der Unternehmensführung und der Personalabteilung nicht nur die Wirkungen der Maßnahmen sichtbar, sondern wird zu einem strategischen Managementsystem, mit dem das Unternehmen dauerhaft geführt werden kann.

Vielen Dank Herr Paschhoff für Ihre Einschätzung der Situation und auch dafür, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen. Ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben und für dieses extrem spannende Interview!

Dieses Interview wurde ursprünglich veröffenltlicht im Blog von zweikern.com, in welchem sich Andreas Kerneder und andere Autoren mit Fragen rund um eine nachhaltige Unternehmenskultur befassen. 

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