Vorsicht bei Wettbewerbsverboten ohne Karenzentschädigung

Während das Arbeitsverhältnis besteht, ist die Sache klar: Arbeitnehmer dürfen nicht in Konkurrenz mit ihrem Arbeitgeber treten. Dieses Wettbewerbsverbot ist auch gesetzlich geregelt, und zwar in § 60 des Handelsgesetzbuches (HGB), der laut Rechtsprechung des BGH auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung findet. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot hingegen sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor. Um Wettbewerbstätigkeiten in Konkurrenz mit dem Arbeitgeber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagen zu können, muss ein solches Verbot vertraglich vereinbart werden. Und damit dieses Verbot dann auch wirksam ist, müssen Arbeitgeber ihren ehemaligen Mitarbeitern eine sogenannte Karenzentschädigung zahlen. Was all das genau bedeutet und was passiert, wenn im Arbeitsvertrag keine Karenzentschädigung vereinbart wurde, erfahren Sie in unserem Beitrag.

Grundlagen: Wettbewerbsverbote und Karenzentschädigung einfach erklärt

Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer ihr Wissen und ihre Fähigkeiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei in der Arbeitswelt einsetzen, also auch in Konkurrenz mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber treten (in den Grenzen des § 3 UWG). Gemäß  § 110 der Gewerbeordnung (GewO) kann diese Freiheit des Arbeitnehmers jedoch durch eine vertragliche Vereinbarung eingeschränkt werden. Deshalb finden sich heute in vielen Arbeitsverträgen Regelungen, die es Arbeitnehmern für eine bestimmte Zeit untersagen, in Konkurrenz mit dem Arbeitgeber zu treten. In der Regel betreffen solche Regelungen dann nicht nur abhängige Beschäftigungen in anderen Unternehmen, sondern auch selbstständige Tätigkeiten, Beteiligung an Unternehmen oder Gründung von entsprechenden Gesellschaften.

Wozu werden Wettbewerbsverbote vereinbart?

Die Motivation für nachvertragliche Wettbewerbsverbote ist einfach nachvollziehbar. Über die Zeit des Arbeitsverhältnisses häufen Arbeitnehmer eine ganze Menge Wissen an. Einerseits natürlich fachliches Know-How, andererseits aber auch betriebsinternes Wissen: Strategien, Kunden, Abläufe, Strukturen und vieles mehr. Wissen, das vor allem den Konkurrenten nützlich sein kann, um beispielsweise Kunden abzuwerben. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Geschäft sogenannter Headhunter immer weiter boomt. Vor allem Arbeitnehmer in Führungspositionen werden oftmals gezielt abgeworben (Active Sourcing), um ihr Wissen für die Konkurrenz gewinnbringend einzusetzen. Vor diesem Hintergrund scheinen Wettbewerbsverbote durchaus interessengerecht. Denn Arbeitgeber haben ein in der Regel schutzwürdiges Interesse daran, dass ihre Betriebsgeheimnisse auch dann noch geheim bleiben, wenn Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheiden. Für Arbeitnehmer jedoch ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot eine ganz erhebliche Einschränkung ihrer Berufsfreiheit. Damit diese Einschränkung noch gerechtfertigt ist, unterliegt ein solches Verbot strengen Voraussetzungen.

Was sind die Voraussetzungen für ein wirksames Wettbewerbsverbot?

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber seinem ehemaligen Mitarbeiter für die Dauer des Verbots eine Karenzentschädigung zahlt. Einfach gesagt wird der Arbeitnehmer also dafür entschädigt, dass er auf eine Wettbewerbstätigkeit in Konkurrenz mit dem Arbeitgeber verzichtet. Die Karenzentschädigung ist aber nicht die einzige Voraussetzung für ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Im Einzelnen ergeben sich die Voraussetzungen aus den § 110 S.2 GewO i.V.m. §§ 74 bis 75f HGB. Die Wichtigsten haben wir hier für Sie zusammengefasst:
  • Wettbewerbsverbote müssen schriftlich vereinbart werden.
  • Das Verbot darf eine Dauer von 2 Jahren nicht überschreiten.
  • Ort, Zeit, und Gegenstand des Verbots müssen eindeutig bestimmbar sein. Pauschale oder allgemein gehaltene Formulierungen genügen daher meist nicht. Der Umfang (örtlich, zeitlich und gegenständlich) des Wettbewerbsverbotes muss ganz klar sein.
  • Das Verbot muss einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers dienen.
  • Für die Dauer des Verbots muss eine Karenzentschädigung vereinbart werden.
 

Aktuelles Urteil:  Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung sind nichtig

Was allerdings passiert, wenn im Arbeitsvertrag keine Karenzentschädigung vereinbart wurde, hatte im März 2017 das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden (BAG, Urteil vom 22.03.2017, Az.: 10 AZR 448/15). Im vorliegenden Fall war die klagende Arbeitnehmerin über etwa fünfeinhalb Jahre als Industriekauffrau bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Industriekauffrau vereinbarten die Parteien ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Für Verstöße gegen das Verbot war eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 Euro vorgesehen. Eine Karenzentschädigung wurde hingegen nicht vereinbart. Allerdings enthielt der Arbeitsvertrag eine sogenannte salvatorische Klausel. Mit solchen Klauseln legen Vertragsparteien fest, was passieren soll, wenn sich Teile des Vertrags im Nachhinein als unwirksam, undurchführbar oder schlicht nicht geregelt herausstellen. Hier legten die Parteien in der salvatorischen Klausel fest, dass im Falle der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit einer Bestimmung die Wirksamkeit der übrigen vertraglichen Regelungen unberührt bleiben sollten. Wie schon oben gesagt, ist ein Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung unwirksam. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und war hier auch gar nicht zu entscheiden. Das Gericht stand vielmehr vor der Frage: Wie ist die Rechtslage, wenn zwar keine Entschädigungszahlung vereinbart wurde, sich die Arbeitnehmerin aber trotzdem an das (unwirksame) nachvertragliche Wettbewerbsverbot gehalten hat? Haben Arbeitnehmer in diesem Fall einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung? Das Bundesarbeitsgericht entschied: Nein, Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Zahlung einer nicht vereinbarten Karenzentschädigung; auch wenn sie sich an das Wettbewerbsverbot gehalten haben. Der Grund: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung seien nicht nur unwirksam, sondern sogar nichtig. Das bedeutet, dass das Verbot von Anfang an völlig wirkungslos wird. Keine der Parteien kann aus dem Verbot Ansprüche herleiten: Arbeitnehmer können keine Entschädigungszahlungen verlangen, Arbeitgeber nicht die Einhaltung des Verbots. Das gelte auch dann, wenn die Unwirksamkeit des Verbots erst nach der Verbotszeit auffällt und sich der Arbeitnehmer bis dahin an das unwirksame Verbot gehalten hat. Auch eine salvatorische Klausel könne daran nichts ändern. Im Ergebnis hatte die Industriekauffrau daher keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung. Sie hatte eine monatliche Entschädigung in Höhe von 604,69 Euro geltend gemacht, kam so auf eine Gesamtsumme von über 14.500 Euro. Man sieht: Dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung nichtig sind, ist für Arbeitnehmer nur bedingt vorteilhaft. Zwar muss man sich an solche Verbote nicht halten, kann jeder Tätigkeit nachgehen und muss auch keine Vertragsstrafe befürchten. Hält man aber irrtümlich das Wettbewerbsverbot ein, kann man im Nachhinein keine Karenzentschädigung fordern.

Berechnung: Wie hoch muss die Karenzentschädigung sein?

Wichtig ist zunächst, hier nochmal hervorzuheben, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot einer vertraglichen Vereinbarung bedarf. Deshalb können auch beide Vertragsparteien auf das Verbot einwirken und über dessen konkrete Ausgestaltung verhandeln. Gerade mit zunehmender Betriebszugehörigkeit und höherer Stellung im Unternehmen kann die Verhandlungsposition von Arbeitnehmern stärker werden. Hier lohnt es sich unter Umständen, nachzuverhandeln! Das Gesetz sieht in § 74 Abs. 2 HGB lediglich einen Mindestsatz vor. Danach sollen Arbeitnehmer für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte dessen ausgezahlt bekommen, was sie zuletzt als vertragsmäßige Leistung bezogen haben. Der Gesetzgeber drückt sich hier ganz bewusst etwas kompliziert aus und schreibt aus guten Gründen nicht nur “50% des Lohns”. Neben dem regulären Arbeitslohn sollen nämlich auch Zahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgelder, Gewinnbeteiligungen oder ähnliche Zusatzleistungen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Zur Berechnung der Mindestsumme werden alle Bestandteile der letzten vertragsmäßigen Leistung zusammengerechnet, durch zwölf geteilt und dann nochmals halbiert. So erhält man dann den Betrag, den Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots monatlich mindestens erhalten müssen.

Fazit zu Wettbewerbsverboten: Wirksamkeit prüfen lassen!

Für Arbeitnehmer ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot eine große Einschränkung. Und, wie man an dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts sieht, kann auch ein unwirksames Verbot zu finanziellen Schäden führen. Doch auch Arbeitgeber können unwirksame Verbote hart treffen, wenn Arbeitnehmern die Unwirksamkeit bewusst ist und sie sich deshalb nicht an das Verbot halten. Wir empfehlen Ihnen daher, vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen, um sämtlichen Risiken vorzubeugen. Dabei helfen wir Ihnen gern! Ebenso stehen wir Ihnen zur Seite, wenn es darum geht, Sie bei der Prüfung Ihres Arbeitsvertrags zu begleiten. Vereinbaren Sie dazu einfach einen persönlichen Beratungstermin in unserer Kanzlei.

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