Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Co: Sind meine Dokumente noch gültig?

In Deutschland entwickelt sich der immer stärker werdende Trend, dass viele Menschen ihre persönlichen und rechtlichen Belange vorsorglich durch Vorsorgedokumente wie Vorsorgevollmachten, Patienten-, Betreuungs-, Organ- oder Obduktionsverfügungen regeln wollen. Für den Fall einer späteren Einwilligungsunfähigkeit sollen diese Dokumente den maßgeblichen Willen des Ausstellers vorgeben und eine per Gerichtsbeschluss einzuholende Entscheidung – bspw. bei der Bestellung eines Pflegers oder Betreuers im Falle der Pflegebedürftigkeit – überflüssig machen. Doch was, wenn diese Dokumente nicht (mehr) gültig sind? Die aktuelle Rechtsprechung hat die Anforderungen an Vorsorgedokumente verschärft.
Damit Sie sich darüber keine Sorgen machen müssen, zeigen wir Ihnen, wie solche Verfügungen richtig gestaltet werden und welche Punkte bei der Errichtung der Verfügung, vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) – in seinen Beschlüssen vom 6. Juli 2016 (XII ZB 61/16), vom 8. Februar 2017 (XII ZB 604/15) und vom 14. November 2018 (XII ZB 107/18) -, unbedingt beachtet werden müssen.

Die Ausgangssituation: wann Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen wünschenswert sind

In den Köpfen vieler besteht – zu Recht – eine gewisse Scheu vor der Vorstellung, dass für den Fall der Pflegebedürftigkeit ein per Gerichtsbeschluss bestimmter Berufsbetreuer mit der Wahrnehmung sämtlicher persönlicher Angelegenheiten beauftragt wird. Zwar ist auch ein Berufsbetreuer dazu verpflichtet, im Sinne des Betreuten zu handeln. Jedoch fürchten im Fall der gerichtlich angeordneten Betreuung viele, dass persönliche Angelegenheiten durch einen fremden Betreuer unpersönlich oder nicht im Sinne des Betreuten geregelt werden – womöglich mit weitreichenden Folgen.

Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen: Wofür braucht man sie und was steht drin?

Dieser Situation kann dadurch vorgebeugt werden, dass professionelle Vorsorgedokumente gestaltet werden. Durch Vorsorgedokumente können verbindliche Anordnungen für den Fall der späteren Entscheidungsunfähigkeit des Vollmachtausstellers getroffenen werden. Durch die Vorsorgedokumente kann der Vollmachtaussteller „in Zeiten geistiger Frische“ Vorsorgemaßnahmen für den Fall der krankheits-, alters- oder unfallbedingten Unfähigkeit selbst treffen. Sollte der Aussteller einer Vorsorgevollmacht infolge einer Krankheit oder eines Unfalls seine Geschäftsfähigkeit verlieren, gibt die Vorsorgevollmacht Aufschluss über den tatsächlichen Willen des Vollmachtausstellers. Der in der Vorsorgevollmacht niedergeschriebene Wille ist dann – trotz der eingetretenen Geschäftsunfähigkeit – allein maßgeblich. Mit der Vorsorgevollmacht bevollmächtigt der Vollmachtgeber den Vollmachtnehmer somit dazu, im Namen und mit Wirkung für ihn Erklärungen abzugeben, zu denen der Vollmachtgeber selbst nicht mehr in der Lage ist.

Der Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Während die Vorsorgevollmacht dem Vollmachtaussteller einen oder mehrere Bevollmächtigte zur Seite stellt, legt die Patientenverfügung fest, ob der Vollmachtaussteller in bestimmte, zum Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung noch unbestimmte und nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt.

Wann eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung gültig ist – und wann nicht

Bei der Gestaltung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen stellt sich seit jeher immer wieder die Frage, wann der Inhalt solcher Vorsorgedokumente ausreichend bestimmt genug ist, um für jeden konkreten Fall in der Zukunft einen Geltungsanspruch entfalten zu können. Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass die Vorsorgedokumente einerseits Maßnahmen hinsichtlich eines noch überhaupt nicht vorliegenden Behandlungs- bzw. Krankheitsfalles regeln sollen. Im gleichen Moment müssen die festgeschrieben Regelungen jedoch so konkret bestimmt sein, dass sie praktisch jede zukünftige Behandlungs- und Krankheitssituation umfassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei wichtigen Beschlüssen vom 6. Juli 2016 und vom 8. Februar 2017 festgelegt, welche Anforderungen an die Bestimmtheit von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu stellen sind und wann derartige Dokumente gerade nicht bestimmt genug sind. In dem vom BGH am 6. Juli 2016 entschiedenen Fall hatte die Betroffene Ende 2011 einen Hirnschlag erlitten. Seitdem musste sie über eine Magensonde künstlich ernährt werden. Sie hatte in einer Patientenverfügung bestimmt, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben (sollen), wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, (…) dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt“. Ihre drei Töchter haben hinsichtlich der Frage gestritten, ob ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem Willen der Mutter entspricht, das heißt von der o.g. Formulierung der Patientenverfügung umfasst ist. Der BGH stellt in seinem Beschluss vom 6. Juli 2016 fest, dass die in einer Patientenverfügung enthaltene schriftliche Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, für sich genommen noch nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen enthält. Der BGH stellt im gleichen Atemzug jedoch klar, dass die insoweit erforderliche Konkretisierung der Behandlungsentscheidung des Betroffenen in einer Patientenverfügung beispielsweise durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungen erfolgen kann.

Eine Patientenverfügung muss konkret sein

Einer Patientenverfügung müssen konkrete Entscheidungen entnommen werden können, die die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte ärztliche Maßnahmen enthalten. Das heißt, es muss umschreibend festgelegt werden, was in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation gewollt ist und was nicht. Allgemeine Anweisungen wie „ein würdevolles Sterben zu ermöglichen“ hingegen genügen nicht. In dem am 6. Juni 2016 durch den BGH entschiedenen Fall ist die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen für sich genommen nicht konkret genug, weil keine Bezugnahme auf eine spezifizierte Krankheit oder Behandlungssituation vorliegt. Zwar wird Bezug auf einen „schweren Dauerschaden des Gehirns“ genommen, dieser ist nach Ansicht des BGH aber nicht präzise genug, weil sich kein Rückschluss auf eine konkrete Behandlungsmethode, hier die künstliche Ernährung, ziehen lässt. Ergänzend zu dieser Entscheidung hat der BGH am 8. Februar 2017 noch einmal  festgestellt, dass eine Patientenverfügung nur dann unmittelbare Bindungswirkung entfalten kann, wenn sie neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation gelten soll. Danach genügt eine Patientenverfügung etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, zur künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse dem Bestimmtheitsgrundsatz. Nicht ausreichend sind allerdings allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.

Bedeutung der BGH-Entscheidungen für die Praxis: Sind Ihre Vorsorgedokumente jetzt ungültig?

Die Auswirkungen der beiden Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2016 und 8. Februar 2017 für die Praxis sind enorm. Es besteht die Gefahr, dass viele Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen, die bereits vor diesen Entscheidungen erstellt wurden, infolge der aktualisierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollständig unwirksam sind und in der akuten Behandlungssituation gegenwärtig keine Geltung mehr entfalten können.

Unsere Empfehlung

Wir empfehlen vor dem Hintergrund dieser Änderung der Rechtsprechung dringend, bereits bestehende Vorsorgedokumente (Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen) auf ihre konkreten Anordnungen und Formulierungen hin zu überprüfen, um späteren negativen Überraschungen aufgrund der Unwirksamkeit der eigenen Vorsorgedokumente vorzubeugen. Wir blicken auf langjährige Erfahrungen bei der Gestaltung von Vorsorgedokumenten zurück und stehen Ihnen als Experten bei der Überprüfung bereits bestehender Vorsorgedokumente sowie auch bei der Errichtung neuer, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechender Vorsorgedokumente jederzeit gern zur Seite. Vereinbaren Sie einfach einen persönlichen Beratungstermin in unserer Kanzlei.

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