Vorsteuerabzug für Ärzte: So entgehen Sie der Umsatzsteuer

Sowohl bei Ärzten als auch bei Steuerberatern hält sich hartnäckig die irrige Auffassung, dass ärztliche Leistungen immer von der Umsatzsteuer befreit seien. Diese Auffassung ist nicht nur falsch, sondern kann auch folgenschwere Konsequenzen haben. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen nun, wie Sie sich bei den umsatzsteuerpflichtigen Leistungen eines Arztes den Vorsteuerabzug zu Nutze machen können.

Rahmenbedingungen: Wer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt?

Um zu verstehen, wer vom Vorsteuerabzug Gebrauch machen kann, müssen wir natürlich erst einmal klären, was der Vorsteuerabzug überhaupt ist.

Definitionen von Umsatzsteuer und Vorsteuer: Was ist der Unterschied?

Den allgemein geläufigen Oberbegriff von Umsatz- und Vorsteuer kennt jeder: Die Mehrwertsteuer, die wie ein Damoklesschwert über allem schwebt, was wir uns im täglichen Leben anschaffen. In der Regel beträgt sie 19%. Der Begriff Mehrwertsteuer wird im Gesetz jedoch heute gar nicht mehr verwendet. Man unterscheidet vielmehr zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuer. In der Sache bezeichnen die beiden Begriffe dieselbe Abgabe. Die Unterscheidung ergibt sich erst aus dem Blickwinkel auf die Abgabe. Was für den einen Unternehmer die Umsatzsteuer ist, kann für den anderen Unternehmer die Vorsteuer sein. Die Umsatzsteuer wird, wie der Name schon sagt, für Umsätze fällig, die ein Unternehmer tätigt. Die Umsatzsteuer betrifft also die Einnahmen. Wenn ein Unternehmer z.B. eine Sache oder eine Dienstleistung verkauft, dann muss er auf der Rechnung eine Umsatzsteuer ausweisen, die der Käufer ihm zusätzlich zum Kaufpreis bezahlen muss. Der Unternehmer darf die gezahlte Umsatzsteuer aber natürlich nicht behalten, sondern muss sie später an das Finanzamt abführen. Für den Begriff der Vorsteuer betrachten wir die Abgabe nun aus dem Blickwinkel des Leistungsempfängers. Die Vorsteuer ist dabei die Steuer, die ein Unternehmer für Leistungen eines anderen Unternehmers zahlen muss. Sie betrifft also die Ausgaben.

Die rechtlichen Grundlagen des Umsatzsteuergesetzes (UStG)

Die Zahlung einer Vorsteuer ist ineffizient und so vom Gesetzgeber nicht gewollt. Denn die Umsatzsteuer ist in Deutschland eine Endverbrauchersteuer. Sie soll den privaten Verbraucher belasten, nicht den Unternehmer. Damit der Unternehmer von der Umsatzsteuerschuld entlastet wird, hat der Gesetzgeber mit den §§ 1515a UStG den Vorsteuerabzug geschaffen.
Durch den Vorsteuerabzug kann ein Unternehmer von seiner insgesamt zu zahlenden Umsatzsteuerschuld die Vorsteuer abziehen. Dazu wird die abzugsfähige Vorsteuer auf der monatlichen oder vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldung angegeben und mit der Umsatzsteuererklärung für das Vorjahr nochmals bestätigt. Die zu viel gezahlte Umsatzsteuer wird dann vom Finanzamt erstattet.
Für die Vorsteuerabzugsberechtigung gibt es einige Voraussetzungen, die im Detail in § 15 UStG aufgeführt sind:
  • Vorsteuerabzugsberechtigt kann nur ein Unternehmer sein Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Von dieser Definition ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen umfasst. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. Auch Ärzte, Zahnärzte und andere Heilberufler sind Unternehmer.
  • Wer vom Vorsteuerabzug Gebrauch machen will, braucht eine Rechnung Ein Vorsteuerabzug ist nur mit einer nach §§ 1414a UStG korrekt ausgestellten Rechnung möglich. In dieser muss die fällige Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen sein.
  • Die Umsatzsteuer darf nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sein Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die erworbenen Leistungen nur zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet werden, was in besonderem Maße für Ärzte/Zahnärzte relevant ist (dazu später mehr).
  • Die Leistung muss (auch) unternehmerisch genutzt werden Damit die für eine Leistung zu zahlende Umsatzsteuer in vollem Umfang abzugsfähig ist, muss die Leistung auch in vollem Umfang unternehmerisch genutzt werden. Wird die Leistung nur teilweise unternehmerisch genutzt, ist entsprechend auch die Vorsteuer nur teilweise abzugsfähig.

Die Voraussetzungen der Vorsteuerabzugsberechtigung beim Arzt und Zahnarzt

Nach den oben genannten Grundsätzen ist ein Arzt oder Zahnarzt grundsätzlich erstmal nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Denn ein Vorsteuerabzug ist dann nicht möglich, wenn die erworbene Leistung nur zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet wird. Und nach § 4 Nr. 14 lit. a UStG sind die Umsätze von Heilbehandlungen grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Wer also in seiner Arztpraxis ausschließlich Heilbehandlungen durchführt, zahlt keine Umsatzsteuer und kann den Vorsteuerabzug nicht für sich nutzen.

Heilbehandlung oder keine Heilbehandlung? Das ist hier die Frage!

Doch nicht jede Behandlung ist eine Heilbehandlung. Damit eine Heilbehandlung vorliegt, muss sich die Maßnahme auf eine konkrete, im individuellen Fall bei dem Patienten identifizierte oder identifizierbare Gesundheitsstörung beziehen. Die Behandlung muss also medizinisch indiziert sein. Ist sie das nicht, liegt auch keine Heilbehandlung vor, womit die Maßnahme umsatzsteuerpflichtig wird. Das ist der Ansatzpunkt für die Vorsteuerabzugsberechtigung. Wenn Sie sich als Arzt oder Zahnarzt den Vorsteuerabzug zu Nutze machen wollen, müssen Sie also umsatzsteuerpflichtige Behandlungen in Ihr Leistungsspektrum aufnehmen. Steuerpflichtige Leistungen eines Arztes sind zum Beispiel:
  • Kosmetische Operationen (Schönheitsoperationen)
  • Veröffentlichungen wissenschaftlicher Beiträge oder Vorträge
  • Erstellung von Gutachten (in vielen Fällen)
  • Der Verkauf von Kontaktlinsen, Zahnprothesen, Schuheinlagen, etc.
  • Untersuchungen zur Prävention, die keinen unmittelbaren Bezug zu einer identifizierten Gesundheitsstörung haben
  • Wellness-Leistungen wie Massagen oder Gymnastik
  • Herstellung von Zahnersatz, Inlays, Onlays, Veneers, etc. in der Zahnarztpraxis

Beispiele aus der Praxis: Hier sind Sie zum Vorsteuerabzug berechtigt!

Wo ein Vorsteuerabzug möglich und sinnvoll ist, lässt sich am besten anhand von Beispielen erklären.

Vorsteuerabzug beim Kauf eines PKW

Schaffen Sie sich als Arzt oder Zahnarzt einen Dienstwagen an, so können Sie diesen entweder mit der 1%-Methode oder mithilfe eines Fahrtenbuchs versteuern. Doch auch bereits beim Kauf des PKW können Sie mithilfe des Vorsteuerabzugs sparen! Dazu folgendes Rechenbeispiel:
Zahnarzt Dr. A betreibt zwei Zahnarztpraxen. Eine in Wuppertal und eine in Düsseldorf. In seiner Wuppertaler Praxis führt er hauptsächlich medizinisch indizierte Heilbehandlungen durch. Die Praxis in Düsseldorf richtet sich dagegen an Patienten, die kosmetische Eingriffe durchführen lassen möchten. So hat es sich ergeben, dass Herr Dr. A in Düsseldorf mittlerweile nur noch Schönheits-OPs durchführt. Nachdem er die Aufbauphase seiner Praxen gut überstanden hat, erfüllt er sich seinen Traum und kauft sich für 95.200€ einen schicken Oldtimer. Im Kaufpreis sind 15.200€ (80.000€ * 19%) Umsatzsteuer enthalten. Der Wagen ist in einer Garage in der Nähe der Wuppertaler Praxis untergebracht. An jedem Arbeitstag fährt Dr. A nachmittags mit dem Oldtimer nach Düsseldorf, um dort die Schönheits-OPs durchzuführen. Ansonsten nutzt Dr. A den Wagen nur für kleinere Wochenendfahrten bei schönem Wetter, was insgesamt 10% der Gesamtnutzung ausmacht. Herr Dr. A nutzt den Oldtimer zu 90% für die Ausführung steuerpflichtiger Umsätze. Die gezahlte Vorsteuer ist damit zu 90% abzugsfähig. Von seiner gesamten Umsatzsteuerschuld kann Dr. A damit 13.680€ (15.200€ * 90%) abziehen.

Vorsteuerabzug bei gemieteter Arztpraxis

Ihre Praxisräume sind gemietet und Ihr Vermieter hat zur Umsatzsteuer optiert? Dann ist auch hier ein Vorsteuerabzug möglich! Und das, obwohl die Miete gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit und damit auch nicht vorsteuerabzugsfähig ist. Vermietet jedoch ein Unternehmer ein Grundstück an einen anderen Unternehmer, so kann er von der sog. Umsatzsteueroption aus § 9 UStG Gebrauch machen. Die Folge der Umsatzsteueroption ist, dass die eigentlich umsatzsteuerfreie Miete als steuerpflichtig behandelt wird. Somit wird dann auch ein Vorsteuerabzug möglich. Doch Achtung, eine solche Umsatzsteueroption ist gemäß § 9 Abs. 2 UStG nur dann zulässig, wenn in den gemieteten Räumen ausschließlich steuerpflichtige Umsätze ausgeführt werden.
Auch hierzu folgendes Rechenbeispiel: Die Düsseldorfer Praxis (nur Schönheits-OPs) hat Zahnarzt Dr. A von dem Vermieter V gemietet. V hat zur Umsatzsteuer optiert und verlangt einen Mietzins in Höhe von 5.000€ pro Monat. Im Mietzins sind 950€ (5.000€ * 19%) Umsatzsteuer enthalten. Für die 950€ pro Monat ist Dr. A in voller Höhe vorsteuerabzugsberechtigt. Er kann also pro Jahr seine Umsatzsteuerschuld um 11.400€ senken. Auch die Wuppertaler Praxis ist gemietet, und zwar vom Vermieter X. Im letzten Monat kündigte X an, dass auch er von der Umsatzsteueroption Gebrauch machen wolle. Dr. A fragt sich nun, ob das möglich ist. Lösung: Eine Umsatzsteueroption für die Wuppertaler Praxis ist unzulässig, denn Dr. A führt hier auch umsatzsteuerfreie Leistungen aus, welche den Vorsteuerabzug ausschließen. X kann nicht zur Umsatzsteuer optieren.

Fazit zum Vorsteuerabzug für Ärzte

Wer als Arzt nur steuerfreie Heilbehandlungen durchführt, ist zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt. Doch es gibt, wie wir gesehen haben, zahlreiche einfache Möglichkeiten, auch steuerpflichtige Behandlungen ins Leistungsspektrum aufzunehmen. Mit dem Vorsteuerabzug lässt sich dann Ihre Steuerschuld (z.B. für Arbeitsmaterial) erheblich mindern. So sparen Sie bares Geld, welches Sie wiederum sinnvoll in das Wachstum Ihrer Praxis investieren können! Sie haben noch Fragen? Paschhoff & Partner kann sowohl bei der steuerlichen, als auch bei der rechtlichen Beratung im Gesundheitswesen auf langjährige Erfahrung zurückblicken. Wir würden uns freuen, Sie bei Ihrem ganz persönlichen Praxismanagement begleiten und unterstützen zu dürfen. Als Experten im Steuerrecht stehen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte Ihnen jederzeit gern zur Seite. Vereinbaren Sie dazu einfach einen persönlichen Beratungstermin in unserer Kanzlei.

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